T O U R B L O G

Tour di pensionamento

03. Sep 2023

Tag 13 Pistoia

Was für ein schöner Abend gestern mit meinen Gastgebern, schmackhaftes Abendessen mit Blick durch die offene Tür über das beleuchtete Tal, dazu ein gutes Glas Wein und selbtsgemachten Likör, es könnte schöner nicht sein! Es gab einen zweiten Gast, Ivo aus der Nähe von Udine ist mit dem Motorrad unterwegs nach Livorno, trifft dort seine Frau und gemeinsam machen sie Urlaub auf Sardinien. Es tat gut sich wieder mal ausgiebig zu unterhalten, wir nutzten jede uns zur Verfügung stehende Sprache, Englisch, Italienisch und Deutsch und dazwischen wechselten unsere Gastgeber ein paar Worte in Niederländisch. Weil ja am nächsten Tag wieder eine anstrengende Tour ansteht, gehe ich gegen 23:00 ins Bett. Es ist angenehm ruhig, ich schlafe nach einem anstrengenden Tag wieder wie ein Murmeltier. Schon aus Gewohnheit erwache ich kurz vor 6 Uhr, für 7:30 haben wir Frühstück vereinbart, geht sich alles gut aus. Marteen und Dominique haben keinen Wunsch offen gelassen, das Frühstück fügt sich perfekt in das Gesamtbild dieses freundlichen Hauses, das übrigens bereits 1470 als Wohn- und Wehrturm erbaut wurde. Vielen Dank Euch beiden für die schöne gemeinsame Zeit! Dann aber wieder los, es geht lange hinunter in das Tal, den Weg den ich gestern hochgeradelt bin, hinunter ist fast gleich beschwerlich, zumindest für die noch nicht aufgewärmten Handgelenke. Bei frischen 16 Grad geht es dahin, ich habe mir vorgenommen, heute Navianweisungen zu ignorieren und stur der vielbefahrenen Hauptverbindungsstrasse zu folgen, die führt ja nach Pistoia. Als mich das Navi vor einem längeren Strassentunnel von dieser Strasse runterlotet, gebe ich meinen Widerstand aber gerne auf, ich habe keine Lust auf eine oder mehrere Tunneldurchquerungen ohne Randstreifen, dafür mit guter Aussicht auf einen Lungenschaden. An weiterer Stelle vertraue ich dem Navi aber wieder nicht, tja und das sind dann die heutigen Extra Kilometer. Geläutert achte ich wieder auf die freundliche Frauenstimme, gebe ihr aber keine Chance mehr, mich vom rechten Weg abzubringen. Nach einem längeren Anstieg erreiche ich einen Stausee, den Suviana See, wunderschön gelegen, man sieht am fernen Ufer die Rohre eines Pumpspeicherkraftwerks. Es gibt einen Campingplatz und Souvenierstände und Bootsverleih am Strassenrand. Morgen beginn ja in Italien wieder die Schule, offensichtlich nützen viele Familien noch den schönen Sonntag. Ebenso nutzen diesen wieder viele Radfahrer, meist in Gruppen, und sehr viele Motorradfahrer. Etliche Gedenksteine am Strassenrand - meist in Kurven - mahnen, die Geschwindigkeit der engen sehr kurvenreichen Straße anzupassen. Ich schaue heute immer wieder auf mein Display, das die bisher zurückgelegten km anzeigt, um einen gewissen Sprung nicht zu übersehen. Lange erwartet taucht nach einer Kurve endlich das Schild auf, dass ich die Toskana erreicht habe, das muss fotografisch festgehalten werden. Zum Fotografieren muss ich immer erst das Handy aus der Hülle Pfriemen und das Navi ausschalten, und nach dem Foto wieder zurück, deshalb überlege ich jedesmal, ob es lohnt, stehenzubleiben. Nach weiteren 7km ist es aber so weit, ich habe 1000 Radkilometer abgestrampelt, seit ich am 22. August zuhause aufbrach! Das fühlt sich gut an :-) Das Foto muss ich gleich Riki schicken ;-) Die Luft hier oben ist kühl, für einige Zeit nachdem es noch höher hinauf ging, durchquere ich dicht bewaldete Schluchten und Täler, es ist dort so kalt wie in dem langen Tunnel auf der Pontebbana im Kanaltal. Auf einem dieser Anstiege tauchen vor mir zwei Jungs auf Gravebikes auf, die sich sichtlich mit grosser Mühe den Berg hinaufquälen. Einer kann gar nicht sprechen, der andere erzählt mir als wir einige Meter nebeneinander fahren, dass sie aus Deutschland kommen, ursprünglich bis Neapel wollten, aber jetzt beschlossen haben, in Florenz der Qual ein Ende zu bereiten. Ihr Bike wiegt mitsamt Gepäck gerade mal 16kg, mein Rad ohne Gepäck 26kg. Dazu mein Gepäck von 35kg und mein persönliches "Übergepäck" von ca. 5kg, aber dafür habe ich motorische Unterstützung. Bei unserem Gespräch sehe ich, dass ich gerade noch 1km Restreichweite habe, ich schaffe es über die Kuppe, ehe ich den Akku wechseln muss. Bald geht es aus diesen düsteren Wäldern hinaus in die Sonne, wie gut das tut! Dann öffnet sich der Blick auf eine tief unten liegende Stadt, ich nehme an es ist bereits Pistoia, da nur noch ca. 20km zu fahren sind. Davon geht es dann 15km über die gar nicht so schlechte, aber schmale Strasse nur noch hinunter, teilweise sehr steil. Ich lasse mein Gefährt nicht höher als 35kmh beschleunigen, dann wird die Fuhre instabil, und es lauern Schlaglöcher und Bodenwellen. Ich möchte da jetzt nicht hinauf fahren müssen, aber hinunter ist auch nicht das pure Vergnügen, zusätzlich würde mich das Navi gerne in eine Schlucht stürzen. Irgendwann nähert man sich der Talsenke, spürbar wird es nach jeder Kurve mit zunehmender Temperatur, die sich nach der Kühle oben hier unten wie 40 Grad anfühlen, aber 30 Grad sind es dann doch. Pistoia ist eine grössere Stadt, zumindest erscheint es mir so, ich radle lange durch unschönen Vorstadtbereich, ehe ich um 13:30 nach 76km und 1100 Höhenmetern hoch und 1400 Meter hinunter das historische Zentrum erreiche. Es sind nur wenige Menschen in den Strassen und Plätzen unterwegs, ich fotografiere ein bisschen. Dann entdecke ich ein nettes Restaurant mit beschirmten Tischen, gleich gegenüber der Kathedrale. Ein Tisch ist frei, wo ich mein Rad direkt daneben stehen lassen kann, perfekt. Ich trinke ein wohlverdientes Ankommensbier und esse typisch Toskanische Vorspeisen, wie eine steirische Brettljause ;-) und darauf eine Lasagne, lecker und satt. Am Nebentisch sitzen drei ältere Damen, eine spricht mich nach einiger Zeit an und fragt woher ich komme. Sie übersetzt für ihre alte Mutter und eine weitere Dame, alle gratulieren mir und wünschen mir eine gute Weiterfahrt und gutes Wetter. Als die Damen aufbrechen, die Mutter im Rollstuhl, bleiben sie bei meinem Tisch stehen, und fragen ob es mir was ausmachen würde, sie hätten gerne ein Foto mit mir. Natürlich sehr gerne. Währenddessen hält die Mutter ständig meine Hand und redet italienisch auf mich ein, was ich leider nicht verstehe, aber ihrem Gesichtsausdruck entnehme ich, dass es gute Wünsche sind. Grazie mille, cara signore :-) Als Empfehlung geben sie mir noch den Rat, unbedingt Lucca zu besuchen. Mache ich sehr gerne, liegt es doch auf meiner für morgen geplanten Tour über Lucca und Pisa nach Livorno zu fahren.....