T O U R B L O G

Tour di pensionamento

04. Sep 2023

Tag 14 Livorno

Die Unterkunft in Pistoia wird von Chiara und Fabio geführt, es handelt sich um ein Apartment in einer Wohnanlage im 3.Stock. Man trifft dort niemanden an, check in erfolgt online und man bekommt eine Zugangsmaske aufs Handy geschickt. Mittels vier Buttons wählt man das Gartentor, Hauseingang, Apartment und schließlich das Zimmer an. Doppelklick genügt, und die jeweilige Tür springt auf, wo sind die Zeiten als es noch Schlüssel gab ;-) Das Zimmer und Bad sind ok, es gibt einen Kühlschrank, leider ohne Inhalt, dafür röhrt er wie ein Helikopter. Trotzdem gut geschlafen, wie gewohnt und mittlerweile schon recht routiniert erfolgt das Packen und es kann losgehen, heute halt ohne Frühstück. Zum Glück gibt es einen Aufzug, ein sehr antiquiertes Modell allerdings. Zuerst eine Aussentür, dann eine Doppelpendeltür, die in die Kabine hinein öffnet, die ohnehin sehr klein ist. Mein Gepäck und ich haben gerade so Platz. Alle drei Türen müssen korrekt geschlossen sein, sonst fährt der no-speed Korb erst gar nicht los. Ich vermute, die meisten Bewohner nehmen lieber das Stiegenhaus. Mein Rad musste ich draussen stehen lassen, es ist noch da wo ich es abgestellt hatte :-) Es scheint nicht die feinste Gegend zu sein, unmittelbar beim Bahnhof gelegen. Das merkt man auch am Strom der Menschen, die vom Bahnhof kommend in die Stadt zur Arbeit unterwegs sind, als ich auf die Strasse fahre. Es ist wieder kurz nach acht, das Navi geleitet mich sicher aus Pistoia hinaus. Aber dann geht es los. Ich fahre beschildert und alternativlos auf einer sehr stark befahrenen Strasse in Richtung Lucca. Es herrscht das selbe Chaos auf der Strasse, wie auch bei uns am ersten Tag nach den Ferien. Meine Hoffnung diese Piste bald verlassen zu können, erfüllt sich leider nicht. Mit meiner Überbreite bin ich auf der ohnehin nicht breiten Strasse ein Hindernis für die Autos, mein Blick pendelt ständig zwischen der Fahrbahn um kein Schlagloch zu übersehen, dem Rückspiegel um zu sehen was von hinten auf mich zukommt, und aufs Navidisplay um ja keine Abzweigung zu übersehen. Es ist so laut, dass ich vom Navi nichts hören kann. Nach 20km Höllenritt muss ich mal runter von der Strasse, ich halte bei einer Bar und hole erstmal das Frühstück nach, ein Mortadella Panino und ein Croissant. Hilft nicht, ich muss weiter, es wird auch schon wieder warm, aber der Schweiß stammt wohl mehr von der hohen Konzentration und Trittfrequenz. Irgendwann wird es ruhiger und ich kann durchatmen, Nebenstrassen und sogar einige Meter Radwege folgen. Dann lotst mich das Navi auf eine Schotterpiste, der ein Feldweg folgt. Sehr angenehm denke ich noch, da steht ein Schild und weist darauf hin, dass der folgende Weg nur ein Fußweg ist. Ohne lange zu überlegen biege ich in den Weg ein, der bald nur noch ein Pfad ist. Von links und rechts überwachsen, Spinnfäden hängen von den Zweigen quer über den Pfad. Was soll´s, wird schon gehen denke ich mir, hat doch Komoot - die Software mit der ich meine Touren plane - diesen Weg vorgeschlagen. Es fällt mir ein dass ich schon mehrmals Erfahrungen von Radreisenden verfolgt habe, die davon berichten, dass Komoot hin und wieder Wege in eine Tour einbaut, die für Reiseräder ungeeignet sind. Und so ist auch dieser, nämlich ungeeignet mit einem Rad befahren zu werden, und schon gar nicht mit einer Fuhre wie der meinen. Folge dem Weg 1,4km habe ich noch gehört, dann geht es über grosse runde Steine teils steil bergan, voller Einsatz ist gefragt, und es geht immer weiter. Das Rad samt Gepäck klappert und tscheppert, und irgendwann bin ich doch oben, schweissgebadet. Nach dem Absteigen vom Rad kann ich meine Wirbelsäule erst nach einiger Zeit schmerzfrei aufrichten, und zwei Spinnenbisse unter dem Knie habe ich auch erhalten. An dieser Stelle führt eine Schotterpiste vorbei, und gegen den Protest des Navi, das mich weiter auf diesen Trail schicken möchte, nehme ich diese Piste. Nach einigen km treffe ich eh wieder auf meine Route, geschafft. Und auch wieder etwas gelernt, Fußwege heissen Fußwege weil es Fußwege sind, Punkt! Bei der Weiterfahrt kommen mir Wanderer entgegen und dann vereinzelt weitere. Dann sehe ich das Schild, ich befinde mich gerade auf einem Abschnitt des Franziskuswegs, der via Francigena nord, den ich in Gegenrichtung fahre. Also sind diese Wanderer Pilger, wie ich unterwegs nach Rom. Ich fahre ja nicht die direkte Route, morgen fahre ich entlang der ligurischen Küste nach Piombino hinunter, und dann irgendwie weiter nach Rom. Bald darauf ist Lucca erreicht, wow, was für eine Stadt. Auf der Stadtmauer kann man die ganze Altstadt umrunden, dazu werde ich nochmals herkommen, und ich weiß auch schon, wer mich da gerne begleiten wird :-) Es ist auffallend, dass gegenüber den letzten Tagen sehr viele Familien mit kleinen, noch nicht schulpflichtigen Kindern unterwegs sind. Mehrheitlich Touristen bevölkern die schönen Gassen und Plätze, direkt vor dem Dom lasse ich mich nieder und geniesse einen Eisbecher und sehe dem Treiben zu. Ich kann nicht sagen ob es immer schon so war, aber es kommt hier in Italien niemand zum kassieren an den Tisch, alle Gäste gehen hinein um zu bezahlen, so auch ich. Dann schlendere ich über den Vorplatz zum Dom und greife zum Handy um Fotos zu machen. Kein Handy da wo es sein sollte, Panik! Zurück zur Bar liegt es noch an dem Platz, an dem ich es liegen ließ. Im Dom zünde ich dann eine Kerze an ......... Am Eingang zum Dom hängt ein Schild, SILENZIO, davon ist drinnen nichts zu merken, es ähnelt ohnehin mehr einem Museum. Ganz vorne unter dem Altar, liegt eine Reliquie, wohl die Leiche eines Heiligen oder sonstig Verehrten. Mit diesem Kult kann ich nicht viel anfangen, es erinnert mich an die vielen derartigen Reliquien am spanischen Jakobsweg. Interessante Bauwerke sind diese Kirchen und Kathedralen mit Sicherheit, doch wieviel Blut, Schweiß und Tränen von Ausgebeuteten haben diese Mauern schon gesehen ..... Anyway, es ist nicht weit von Lucca nach Pisa, aber mittlerweile heiß und ziemlich flach. Ich hatte immer mehr Respekt vor den Bergwertungen, aber wenn es - wenn auch unter erhöhter Anstrengung - rauf geht, geht es irgendwann auch wieder runter, und man kann sich bei der Abfahrt ausruhen. In der Ebene gibt es hingegen kein Ausruhen - maximal von einer Brücke kann man sich mal auf der anderen Seite runterrollen lassen, ohne ständig treten zu müssen. Pisa ist bald erreicht, ich fahre in das Zentrum, und bin entsetzt. Auf allen Zufahrtsstrassen zum Haupttor schieben sich Menschenmassen zwischen endlosen Verkaufsständen zu beiden Seiten, Kotz! Alle strömen zur Hauptattraktion, dem schiefen Turm, um ihr Foto zu schiessen, bzw. sich beim imaginären Halten des schiefen Turms fotografieren zu lassen. Ich sehe einige Zeit zu und suche aber bald das Weite. Die letzten km des heutigen Tages führen entlang eines Kanals, an dessen Ufer Schiffswerften grosse und auch grössere Yachten bauen. Für manche Menschen ist Geld einfach kein Thema ..... Dieser Weg wird als Fernradweg bezeichnet, fern mag stimmen, Radweg eher nicht. Der Boden glitzert von Glas -und Keramikscherben, lange, tief mit Wasser gefüllte Löcher, und der Weg nimmt kein Ende. Als er doch zu Ende ist, lande ich dank Navi beinahe auf der Autobahn, aber dann ist Schluss, Hotel nach 85km erreicht, einchecken, duschen, Ankommensbier, Blog schreiben ........... :-))