Tag 29 Santomato
Meine Unterkunft war eine ehemalige Nudelfabrik, die Nachkommen haben dann den Schwenk hin zum Tourismus vollzogen und die Nudelproduktion eingestellt und Apartments daraus gemacht, clever. Ich habe jedenfalls gut geschlafen da. Ich packe mein Zeug, schleppe alles nach unten, nachdem ich bereits mein Rad wieder hinuntergebracht habe. Als Frühstück esse ich 2 Birnen und trinke einen Aloe Vera Saft, dann aber los. Ich fahre auf der Hauptstraße bergwärts, als ich plötzlich Bauchschmerzen bekomme, oder sind es Magenschmerzen, es krampft jedenfalls. Ich plage mich den Berg hinauf, die Schmerzen werden immer schlimmer. Ich wollte da oben unsere vorjährige Unterkunft Geberin besuchen, aber ich habe derartig starke Schmerzen, ich kann nicht. Ich bleibe stehen, stecke in meiner Not den Finger hinunter um brechen zu können, aber so weit ich meinen Finger auch in den Rachen stecke, es geht nicht, und die Schmerzen nehmen noch zu. Ich zittere und bin schweißgebadet, aber es helft nicht, ich muss weiter. Es geht bergab, ich muss mich sehr konzentrieren, aber irgendwann geht es nicht mehr, ich bleibe stehen. Auf einer Skala von 10 habe ich 8. Eine halbe Stunde lehne ich über mein Rad gebeugt und bete, dass der Schmerz nachlassen möge, und Gott sei Dank lässt der Krampf auch irgendwann ein wenig nach. Ich fahre in das nächste Dorf, finde ein Bar und trinke einen Kamillentee. Das hilft! Ich fühle mich kraftlos, aber es geht schon. Das Fahren ist heute sehr anstrengend, ständig auf einer vielbefahrenen, schmalen Straße in Richtung Florenz, ich habe kaum ein Auge für die Umgebung. Dann stelle ich fest, ich bin am Arno, und schon taucht am anderen Flussufer Florenz auf, ein Strom von Fußgängern strömt über die Brücken in Richtung Zentrum. Ich beschließe auch kurz in das Zentrum zu gehen, mache mein Rad an einem Pfahl fest und marschiere los. Außer mir haben noch etliche tausend Menschen mehr dasselbe Ziel. Rund um den Dom wird es unerträglich, ich will hier raus! Aus kurz wurden eineinhalb Stunden, ich habe schon Sorge wegen meines Rades, aber alles ist noch an Ort und Stelle. Wieder einmal verliere ich meine Route, das Navi fordert mich ständig auf umzukehren, anstatt die Tour anzupassen. Ich folge einfach dem Arno, diese Richtung stimmt für einige Zeit, jedenfalls glaube ich das. Zu Beginn eines großen Parks beginnt auch ein Markt, was für ein Markt. Multi Kulti in noch nie gesehener Ausprägung. Menschenmassen aus wirklich aller Herren Länder schieben sich durch die beidseitig aufgebauten Verkaufsstände, und ich mittendrin mit dem Fahrrad. Ich gehöre hier nicht her, aber ich muss da durch. Es nimmt kein Ende, ich schätze die Länge auf gut einige hundert Meter! Wäre auf der vorgeschlagenen Tour nicht gelegen ;-) Geläutert finde ich meine Tour doch wieder und folge nun brav dem vorgegebenen Weg, der wieder kein leichter ist. Nur Straße, nur Verkehr, viel Verkehr. Aber vor Prato werde ich für diese Mühen entschädigt, es folgt ein Radweg, zweispurig, wie cool ist das! Und es wird noch besser, ich fahre durch eine Allee von Zypressen auf einem angenehmen Kiesweg dahin, ein Traum! Prato selbst catcht mich nicht, aber heute hat es jeder und alles ein bisschen schwer mit mir ;-) Ich merke, ich sollte mal was essen, und bleibe an einer Bar stehen. Ein leeres Croissant geht ganz gut, dazu einen Kamillentee. Ich bestelle den Tee un tè camomille per favore. Fragendes Gesicht der Dame, Tee UND Kamille? Ja bitte! Sie schüttelt den Kopf und fragt nochmals. Schließlich zeigt sie mir zwei Teebeutel. Einmal Tee und einmal Kamille. Jetzt verstehe ich, Tee ist ausschließlich Tee, und Kamille wird nicht als Tee bezeichnet. Das hatte ich vor Tagen schon einmal. Als ich darauf bestand Tee mit Kamille haben zu wollen, bekam ich halt beides. Wieder was gelernt fürs Leben ;-) Jetzt sind es nur noch 15 Kilometer, ich habe heute ein Agroturismo gebucht, eine ehemalige Olivenpresse wurde zu Fremdenzimmern umgebaut, die Lage mitten in Olivenhainen. Es geht bergauf, vor mir die Berge, die es morgen zu bezwingen gibt. 1500 Höhenmeter! Anders als bei meiner ersten Fahrt über diesen Teil des Apennin, freue ich mich schon darauf. Ich erreiche mein Ziel und fahre auf den Hof. Es ist sehr still, kein Wunder, hier ist niemand. Ein Tor steht offen, vielleicht die Rezeption? Njente, ich finde keine Rezeption oder auch nur einen Hinweis. Ich rufe unter der Nummer an, die ich bei der Buchung erhalten habe. Es hebt niemand ab. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, es sind nun schon 45 Minuten vergangen, reicht es mir. Ich bin heute etwas dünnhäutig ;-) Ich checke auf Booking, welche Alternativen es in der näheren Umgebung gibt, und entscheide mich für eine, die nur 4 Kilometer entfernt ist. Als ich aufbreche, läutet mein Telefon, es ist die Nummer die ich mehrmals vergeblich angerufen hatte. Zu spät, darum kümmere ich mich später. Ich finde das neue Quartier, ein sehr freundlicher Empfang erwartet mich. Ich checke ein und rufe bei Booking in Deutschland an, um die Situation zu klären. Mein Ersuchen um Stornierung wird höflich entgegengenommen, mit dem Hinweis, dass der Vermieter sein Einverständnis geben muss. Schon kurz darauf erhalte ich die mail, dass die Reservierung kostenlos storniert wurde. Danke! Nachdem ich mich eingerichtet und endlich geduscht habe, frage ich meinen Vermieter, der kein Englisch spricht, ob es möglich ist, hier eine Pizza zustellen zu lassen, und ob er die Bestellung für mich machen würde. No problem. Dann hat er mir auch noch eine Thermoskanne mit heißem Wasser gebracht, damit ich mir Tee machen kann, Grazie mille! :-) Mir ist nach der Pizza etwas flau im Magen, ich werde noch einen Tee trinken und dann bald schlafen gehen, morgen muss ich fit sein.
Bilder werden nachgeliefert, sobald ich besseres Netz habe.....
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- bridget |
Gott sei mit dir, wenn es Abend wird, dass du dankbar zurückschauen kannst auf die Last und Lust des vergangenen Tages und gewiss sein kannst, das nichts vergeblich war.
- Christa Spilling- |
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- pa |
Bin jeden Tag dankbar :-) |
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- Sepp |
Fahre im Gedanken noch immer mit dir, alles Gute weiterhin! |
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- Gerd |
Wow. Was für ein Tag! Und du warst nicht einmal ein paar Stunden in einer der schönsten Städte der Welt. Ich könnte das nicht, aber ich verstehe, du bist Radtourist. Gott sei Dank, dass du die Schmerzen gut überstanden hast. Ich wünsche dir weiterhin alles Gute auf deiner Reise. |
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- pa |
@Sepp, grazie amico mio :-) |
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- pa |
@Gerd, danke für die guten Wünsche, grazie mille! Mit dem Rad ist es nicht so einfach, und zeitlich auch nicht machbar, allen Sehenswürdigkeiten die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken .... |